Fachartikel

Wie Wasserstoff und Brennstoffzellen den ökologischen Wandel in der Schifffahrt vorantreiben können

Mikko Niini

Mikko Niini

CEO bei Vientistrategit Oy

Senior Advisor bei Gaia Consulting, Chair of the Finnish Maritime Association

Industrielle Fertigung und Prozesse
Industrielle Messungen

Da die Dekarbonisierung ganz oben auf der Agenda der Schifffahrtsindustrie steht, spielen Wasserstoff und Brennstoffzellen eine wichtige Rolle beim ökologischen Wandel in der Schifffahrt. Der angesehene Branchenexperte Mikko Niini erläutert uns seine Ansichten zu den Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, und zu den Chancen, die Wasserstoff für diesen wichtigen Industriesektor bietet.

Die Schifffahrt zählt zu den energieeffizientesten Verkehrsmitteln und ist im Welthandel ein wesentlicher Bestandteil: Gemessen am Volumen transportiert sie etwa 80 % des Güterverkehrs (Review of Maritime Transport 2023, United Nations Conference in Trade and Development). Andererseits trägt sie auch erheblich zu den weltweiten Treibhausgasemissionen bei: Sie ist für fast 3 % der durch menschliche Aktivitäten verursachten Emissionen verantwortlich.

Daher steht die maritime Industrie unter dem Druck, zu dekarbonisieren. Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) überarbeitete im Jahr 2023 ihre Treibhausgasstrategie und setzte sich zum Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 2008 um mindestens 20 %, bis 2040 im Vergleich zu 2008 um mindestens 70 % zu senken und bis 2050 Treibhausgasneutralität aus der internationalen Schifffahrt zu erreichen.

Die EU treibt die Schifffahrt stark voran, beispielsweise durch die Einbeziehung der Schifffahrt in das EU-Emissionshandelssystem ab 2024. Schiffseigner und -betreiber stehen vor großen Herausforderungen hinsichtlich der Entscheidung, welche alternativen Kraftstoffe und Energiespartechnologien sie einsetzen sollen, um ihre eigenen Dekarbonisierungsziele zu erreichen und die zunehmend strengeren nationalen und internationalen Vorschriften sowie die Ziele des Pariser Abkommens (COP21) einzuhalten.

Herausforderungen des Einsatzes von Wasserstoff in Schifffahrt

Wasserstoff wird seit Jahrzehnten in industriellen Prozessen eingesetzt, unter anderem in der Erdölraffination und in metallurgischen Prozessen. Darüber hinaus wird er bei der Ammoniak- und Methanolproduktion verwendet – beides Kraftstoffe, die in der Schifffahrtsindustrie realistische Alternativen zu herkömmlichen fossilen Brennstoffen darstellen. Eine der größten Herausforderungen für Wasserstoff besteht heute darin, dass der Großteil davon immer noch mit fossilen Brennstoffen wie Erdgas hergestellt wird. Außerdem gibt es für den Einsatz von Wasserstoff als Kraftstoff in der Schifffahrt noch immer keine formal festgelegten Regeln und Vorschriften, und die IMO macht in dieser Frage nur langsame Fortschritte.  

Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass die direkte Verwendung von Wasserstoff als Kraftstoff im Vergleich zu Schiffsgasöl wesentlich mehr Platz an Bord eines Schiffes erfordern würde. Er kann als Flüssigkeit bei Temperaturen unter −253 °C gelagert werden, was jedoch einen hohen Energieaufwand und spezielle Lagersysteme erfordert. Aufgrund seiner hochexplosiven Eigenschaft bringt Wasserstoff auch ganz besondere Sicherheitsanforderungen mit sich.

Es besteht zudem noch das Problem der Kraftstoffinfrastruktur. Damit Wasserstoff seinen Beitrag zum ökologischen Wandel in der Schifffahrt leisten kann, muss die Infrastruktur vorhanden sein, die die Verteilung, Lagerung und Versorgung mit Wasserstoff als Brennstoff unterstützt. Diese gibt es derzeit nicht. Auf dem Papier sind zwar zahlreiche Initiativen festgehalten, doch können wir keine großen Entwicklungen in der Schifffahrtsbranche erwarten, bevor Klassifikationsgesellschaften, Regierungen und Zulieferer ihren Teil getan haben.

Norwegen Vorreiter bei maritimen Wasserstoffanwendungen

Trotz dieser Herausforderungen treiben Länder wie Norwegen die Einführung von Wasserstoff als Kraftstoff in der Schifffahrt voran und verfügen über umfangreiche Technologieentwicklungs- und staatliche Förderprogramme. Norwegen ist Vorreiter, denn die norwegische Regierung betrachtet Wasserstoff – und insbesondere grünen Wasserstoff – als unverzichtbar, um bis 2050 Treibhausgasneutralität zu erreichen. Auch in der Schifffahrt allgemein ist das Land weltweit führend.  

Die Fähre MF Hydra, die weltweit erste mit flüssigem Wasserstoff betriebene Fähre, ist das Ergebnis der Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen. Das Schiff nutzt Brennstoffzellen mit einer Polymerelektrolytmembran (PEM). Im Jahr 2024 sicherte sich eine norwegische Werft den Auftrag zum Bau der beiden wasserstoffbetriebenen Fähren für die 3,5-stündige Route Bodø–Lofoten, für die Torghatten Nord im Jahr 2022 den Zuschlag erhielt.

Neben Norwegen ist auch Japan Vorreiter beim Einsatz von Wasserstoff für maritime Anwendungen. Um diesem Beispiel in anderen Ländern zu folgen, müssen regulatorische Entwicklungen rund um die Verwendung von Wasserstoff in der Schifffahrt beschleunigt werden. Ein wichtiger Schritt dabei war die Verabschiedung des „International Code of Safety for Ships using Gases or other Low-flashpoint Fuels“ (IGF Code) im Jahr 2017. Dieser ermöglicht einen konkret definierten „alternativen Konstruktionsansatz“, der für die Zulassung von Kraftstoffspeicher- und Kraftstoffversorgungssystemen mit Wasserstoff genutzt werden kann.

Brennstoffzellensysteme im maritimen Umfeld 

Brennstoffzellen sind effizienter als Verbrennungsmotoren und Gasturbinen und aufgrund ihrer einfachen Konstruktion mit wenigen beweglichen Teilen auch leise und zuverlässig. Sie gelten als vielversprechend, um die Nutzung von Wasserstoff als Kraftstoff in Schiffen mit Elektroantrieb zu ermöglichen. Es gibt mehrere Schiffsprojekte, in denen PEM-Brennstoffzellen zum Einsatz kommen. ABB ist mit einer modularen Brennstoffzellenlösung, die in Kombination mit Batterien oder Motoren an Bord von Schiffen eingesetzt werden kann, einer der führenden Anbieter auf diesem Gebiet.

Der Einsatz von Brennstoffzellen in der Schifffahrt steckt noch in den Kinderschuhen, aber wie bei anderen Technologien werden wir eine schnelle Entwicklung und Ausweitung erleben, wenn Unternehmen und Forschungseinrichtungen ihr Wissen und ihre Ressourcen bündeln. Die Windkraftindustrie ist ein gutes Beispiel dafür, wie schnell sich Veränderungen vollziehen können. In der ersten Phase der Offshore-Windparks gab es Turbinen mit einer Leistung von zwei bis drei Megawatt. In den neuesten Projekten sind jedoch Turbinen mit einer Leistung von rund sechsmal so viel, also 15 bis 20 Megawatt, verbaut.

Brennstoffzellen spielen eine enorm wichtige Rolle beim ökologischen Wandel in der Schifffahrtsindustrie, insbesondere im Hinblick auf die immer beliebter werdenden Elektro- und Hybridschiffe. Auf kürzeren, regulären Fährverbindungen gibt es bereits vollelektrische Schiffe, während Hybridschiffe im RoPax-Fährensegment schnell zur Norm werden.

Schnelle Entwicklung von Vorschriften und Infrastruktur entscheidend

Die maritime Industrie ist bereits fest auf dem Weg zur Dekarbonisierung und zur Nutzung alternativer Kraftstoffe wie Wasserstoff. Der nächste entscheidende Schritt besteht in der Zusammenarbeit mit Regulierungsbehörden und Regierungen darin, die Entwicklung von Vorschriften, Sicherheitsnormen und Infrastrukturen zu beschleunigen, die einen breiteren und schnelleren Einsatz von Wasserstoff als Energiequelle ermöglichen.  

 

Informationen zum Autor 

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Mikko Niini, CEO of Vientistrategit

 

Mikko Niini ist CEO seines eigenen Beratungsunternehmens Vientistrategit Oy, Senior Advisor für Gaia Consulting und Chair of the Finnish Maritime Association. Vor seinem offiziellen Ruhestand im Jahr 2014 war er CEO von Aker Arctic Technology.

Zu den früheren Tätigkeiten von Mikko Niini zählen in den letzten dreißig Jahren führende Managementpositionen bei verschiedenen Werften. Er war Vorstandsvorsitzender der Tanker-Vermögensverwaltungsgesellschaft Navidom Ltd und von Rauma Marine Constructions Ltd. Darüber hinaus war er unter anderem Vorstandsmitglied bei ESL Shipping, Nemarc Shipping Corporation, ZAO Arctic Shipping Service und Troms Offshore ASA.

 

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